Wounded Knee. Jeder hat diesen Begriff schon einmal gehört, denn hier ereignete sich im Jahr 1890 ein fürchterliches Massaker. Die Ortschaft im US-Bundesstaat South Dakota hieß allerdings schon lange vorher so – zumindest dafür kann man die siebte Kavallerie nicht verantwortlich machen. Der Ort war nach dem Wounded Knee Creek benannt, und wer nun wissen möchte, warum die alten Indianer ihrem Fluss diesen seltsamen Namen gaben, der kann entweder kurz googeln – und keine Antwort finden; oder er googelt lange und ausdauernd. Dann wird er ebenfalls keine Antwort bekommen. Es ist schlicht zu vermuten, dass sich an jenem Fluss vor Urzeiten irgendein tapferer Krieger am Knie verletzt hat, womöglich hat er sich sogar versehentlich selbst ins Gelenk geschossen. All die anderen tapferen Krieger haben sich schlapp gelacht, und weil sie diese Geschichte über Generationen an jedem Lagerfeuer zum Besten gaben, blieb der Name Wounded Knee erhalten. Wobei, um korrekt zu sein: In der Sprache der Lakota heißt der Ort Chankwe Opi Wakpala. (Ehrlich, es heißt wirklich Opi, das soll bestimmt keine Anspielung auf einige meiner in die Jahre gekommenen Vereinskameraden sein.)
Aber ehe ich mich vollends verzettele: Eigentlich wollte ich von unserer vergangenen Tischtennissaison erzählen. Und eben davon, dass sie beim tischtennisspielenden Stamm der Lakota wohl als Jahr des Chankwe Opi Wakpala in die Überlieferungen eingegangen wäre, das Jahr des Wounded Knee.
Das Knie, um das es geht, war an diversen Knorpeln ernsthaft lädiert, und der zugehörige Mann war Michael Hellwig. Michael zählte lange zum Stamm der ersten Mannschaft, war verlässlicher Punktesammler und Doppelpartner, doch Knieprobleme, böse Geister oder sonst etwas waren dafür verantwortlich, dass wir ihn vor der Saison nicht mehr in der ersten Mannschaft halten konnten. Gleiches galt für Tobi Beck, unseren Jüngsten, der sich im Kampf mit den Feinden noch zu selten ausgezeichnet hatte. Anstelle dieser beiden traten wir mit einem Debütanten in der ersten Mannschaft an, der freilich schon seit Jahrzehnten unserem Stamm angehört: Kay Apfel (Kriegsname No Apple). Und mit einem Rückkehrer, über den wir uns ganz besonders gefreut haben: Uwe Knief, von dem nach einem schweren Motorradunfall alles eher zu erwarten gewesen war, als dass er je wieder in unserer ersten Mannschaft würde spielen können („Broken foot“, auch bekannt als: „Wounded Knief“). Der Rest von uns war einigermaßen unversehrt, was auch nötig war, denn in der mit elf Mannschaften stark besetzten 1. Kreisliga war für uns Abstiegskampf angesagt. Im Nachhinein liest sich das blöd, aber wir waren tatsächlich erst drei Spiele vor Schluss einigermaßen sicher, dass wir die Klasse halten. Dennoch waren wir am Ende Dritte. Ein grandioser Erfolg, der schwer zu erklären ist. Am ehesten dadurch, dass in der Stammformation niemand wirklich schwächelte, auch jeder Ersatzsspieler punktete, an den Positionen eins bis drei Stefan Wille, Ewald Fischer und Andi Liebmann jeweils eine 70-Prozent-Bilanz erspielten und wir neben Wille/Liebmann in Fischer und Thomas Gros ein zweites, unerwartet starkes Doppel gefunden hatten. Im Nachhinein sieht es so aus, als hätten wir uns weniger Druck machen müssen, aber der Druck war da. Und er war begründet.
Ähnlich sah das in der zweiten Mannschaft aus, obwohl diese in Michael Hellwig und dem aus Dietramszell zurückgekehrten Manfred Fleischer („Wounded Hand“) zwei routinierte Verstärkungen bekommen hatte. Reiner Freundorfer („Wounded Back“), Fabian Freundorfer und Tobi Beck waren ja schon da. Doch selbst für diese starke Truppe war die 2. Kreisliga kein Selbstläufer, im Gegenteil. Es wurde richtig eng, zumal vor allem Michaels Knieprobleme erst so richtig begannen und von einer Achillessehnenreizung Geleitschutz bekamen. Man musste richtig Mitleid haben: Michael hängte sich trotz Schmerzen rein, aber wurde nicht belohnt. Bis es tatsächlich am Saisonende zum Showdown gegen den Abstieg kam. Vermutlich errät man es schon: Ausgerechnet Michael hat keines seiner letzten sechs Einzel der Saison mehr verloren. Herrlich, wenn der Schmerz nachlässt. Wenn ich nun sage, er ist wieder ganz der Alte, dann kann man das missverstehen, aber Tatsache ist: In den entscheidenden Spielen hat er so viel gepunktet, dass er wieder zurück in die erste Mannschaft kommen kann, auch weil Uwe sich freiwillig für unsere Zweite entschieden hat.
Eine dritte Mannschaft hatten wir auch noch im Spielbetrieb, die vor allem deshalb den Abstieg nicht zu fürchten hatte, weil sie in der untersten Liga antrat – dort hat sie sich beachtlich gehalten. Was man ebenfalls missverstehen kann, ist, wenn ich von unserer Jugend berichte, denn die ist bekanntlich lange vorbei. Aber natürlich meine ich unsere Jugendmannschaft: Ja, wir haben wieder eine, die diesen Namen verdient, ein paar Einsteiger und ein paar Fortgeschrittene bilden einen ambitionierten Haufen, aus dem Stefan Hee (11:1 Siege) und Leo Fleischer herausstechen – Leo hat in seiner ersten Saison eine 23:2-Bilanz vorzuweisen. Die Gelehrten streiten sich, ob er das Talent vom Vater und von der Mutter hat.
Karen Hellwig hat ihr Talent nachweislich nicht von ihrem Mann Michael geerbt, was ja auch nicht möglich ist, aber er begleitet sie als Coach zu allen Punktspielen und Turnieren. So hat er einen ordentlichen Anteil daran, dass unsere Geschäftsstellenleiterin und liebste aller Trainingspartnerinnen mit Schwabhausen IV die Oberliga gehalten hat. Und bei den Seniorinnen 50 (darf man das verraten?) wurde sie mit ihrer Mannschaft deutsche Meisterin. Obwohl ihr Coach ein kaputtes Knie hatte!
So, das war´s für dieses Jahr, erzählt es bitte an allen Lagerfeuern weiter. Bis zum nächsten Mal, falls ich es nicht vergesse, versuche ich herauszufinden, warum das Little bighorn Little Bighorn heißt – falls nichts Versautes dahinter steckt. Und warum da schon wieder ausgerechnet die siebte Kavallerie mitmischte. Ach ja: Vor allem, was Servus auf Lakota heißt, damit ich mich stilgerecht verabschieden kann. Pfiat eich!
Andreas Liebmann, August 2012